Seychellen-Riesenschildkröte Geochelone gigantea
Die Seychellen-Riesenschildkröte (Geochelone gigantea) gehört
innerhalb der Klasse der Kriechtiere (Reptilia) zur Ordnung der Schildkröten
(Testudines) und da wiederum zur Familie der Landschildkröten (Testudinidae).
Diese Familie umfasst 39 Arten, welche über den ganzen Erdball verbreitet sind.
Sie bewohnen sämtliche tropischen und subtropischen Regionen Nord-, Mittel- und
Südamerikas, den gesamten Mittelmeerraum, ganz Afrika südlich der Sahara und
alle Teile Süd- und Südostasiens.
Einige
Landschildkröten-Arten sind in ihrem Vorkommen auf ozeanische Inseln beschränkt.
Zu ihnen gehören auch die beiden Riesenschildkröten: die
Seychellen-Riesenschildkröte und die Galapagos-Riesenschildkröte (Geochelone
elephantopus).
Riesenschildkröten
sind altertümliche Tiere
Die beiden
heute noch lebenden Riesenschildkröten sind die letzten Überlebenden einer
einst weltweit verbreiteten Tiergruppe. Frühe Vertreter der gepanzerten Riesen
krochen bereits im Zeitalter der grossen Saurier - vor rund 100 Millionen
Jahren - auf der Erde herum. Im weiteren Verlauf der Jahrmillionen verbreiteten
sich aber die wendigen und anpassungsfähigen Säugetiere immer mehr und rotteten
allmählich die unbeholfenen Riesenschildkröten aus. Nur an zwei entlegenen
Orten der Erde, zu denen keine raubenden Säugetiere vordrangen, konnten sich
die Nachkommen dieser Riesenschildkröten halten: auf den Seychellen- und
Maskareneninseln, welche sich nördlich und östlich Madagaskars im Indischen
Ozean befinden, und auf dem Galapagos-Archipel, der rund tausend Kilometer von
der südamerikanischen Westküste entfernt im Pazifischen Ozean liegt.
Heute kommt
die Seychellen-Riesenschildkröte freilebend nur noch auf Aldabra vor. Dieses
kleine Atoll befindet sich etwa 500 Kilometer nördlich von Madagaskar. Von den
vier Inseln, aus denen das Aldabra-Atoll besteht, beherbergen deren drei
Riesenschildkröten. Der Gesamtbestand umfasst rund 150 000 Tiere.
Riesenschildkröten
gehören zu den langlebigsten Vertretern des Tierreichs und gelten allgemein als
Sinnbilder unbegrenzter Lebensdauer. Das höchste, urkundlich belegte Alter hat
eine Seychellen-Riesenschildkröte erreicht, welche erwachsen in Menschenobhut
gelangte und dort noch 152 Jahre lang lebte. Mit einem Gewicht von bis zu 250
Kilogramm und einer Bauchpanzerlänge von über 120 Zentimetern gehören die
Riesenschildkröten auch zu den schwersten und grössten Kriechtieren unserer
Zeit.
Sie trinken
durch die Nase
Hinsichtlich
ihrer Nahrung sind die Seychellen-Riesenschildkröten wenig wählerisch. Sie
nehmen praktisch alles zu sich, was sie finden: von Pflanzen über Kot, tote
Artgenossen und an Land gespülte Fischen bis hin zu Plastiksandalen.
Auf Aldabra
besteht die Hauptnahrung der Riesenschildkröten aus einem sehr kurzen Rasen -
«Schildkröten-Rasen» genannt. Er setzt sich aus über zwanzig verschiedenen
Pflanzenarten zusammen, die sich - offensichtlich infolge der Beweidung über
Jahrtausende durch die Schildkröten - zu Zwergformen umgewandelt haben. Auch
ohne Beweidung durch die grossen Reptilien bleibt der Schildkröten-Rasen stets
wie frisch gemäht.
Die
Seychellen-Riesenschildkröte ist die einzige Landschildkröte, welche nicht
durch ihren Mund, sondern durch ihre Nase trinkt. Dieses eigenartige Verhalten
ist eine Anpassung an das Leben auf dem Aldabra-Atoll, wo keine
Trinkwasserquelle vorkommt und jedes Regenwasser im schwammigen Kalkstein
sofort versickert. Durch die ganz vorn am Schädel sitzenden Nasenlöcher kann
die Schildkröte auch kleinste Wassermengen rasch und aus jeder Gesteinsritze
aufnehmen.
Schattenplätze
sind überlebenswichtig
Riesenschildkröten
sind wie alle Kriechtiere wechselwarm und können ihre Körpertemperatur nicht
aktiv regulieren. Über Mittag müssen sie sich daher vor der gleissenden
Tropensonne schützen und einen Schattenplatz aufsuchen. Andernfalls würden sie
sich unweigerlich überhitzen und sterben. Die massigen Tiere sind gezwungen,
sich zur Mittagszeit unter Bäumen, Sträuchern und Felsnischen auf engstem Raum
zusammenzudrängen - oft sogar in zwei bis drei Schichten übereinander. Solch
«hautnahe» Ansammlungen sind nur denkbar, wenn die Schildkröten untereinander
verträglich sind. Tatsächlich fehlt den Seychellen-Riesenschildkröten beinahe
jegliche Streitsucht gegenüber Artgenossen. Sie unterscheiden sich damit
wesentlich von ihren Vettern auf Galapagos wie auch von den übrigen, kleineren
Schildkröten, welche recht zänkisch untereinander sind.
Abends
suchen die Seychellen-Riesenschildkröten keine festen Schlafplätze auf. Sie
legen sich dort zur Ruhe, wo sie sich gerade befinden. Nicht selten schaut
zwischen den Kiefern schlafender Tiere noch das letzte abgerupfte Büschel Gras
heraus.
Im Gegensatz
zu allen kleineren Landschildkröten-Arten ziehen die
Seychellen-Riesenschildkröten ihren Kopf beim Schlafen nicht unter ihren Panzer
ein, sondern ruhen mit ausgestrecktem, auf dem Boden aufliegendem Hals.
Tatsächlich fällt es den Kolossen sehr schwer, ihren Kopf und ihre Gliedmassen
eingezogen zu halten und gleichzeitig zu atmen. Durch diese Unfähigkeit zum
Verbergen der empfindlichen Kopf-Hals-Partie sind die Riesenschildkröten ohne
Zweifel sehr anfällig auf Fressfeinde. Hier dürfte wohl eine Antwort auf die
Frage sein, warum die Riesenschildkröten nach dem Erscheinen der Raubsäuger
weltweit innerhalb kurzer Frist ausgerottet waren und sich nur gerade auf den
beiden abgelegenen, raubsäugerfreien Inselgruppen halten konnten.
Ein
Zementdeckel schützt das Gelege
Die
Seychellen-Riesenschildkröten paaren sich gegen Ende der von November bis April
dauernden Regenzeit. Das Männchen gerät während der Begattung in grosse
Erregung und äusserst dabei heisere Laute, welche zu den lautesten in der
Reptilienwelt zählen. Vom Menschen können sie über einen Kilometer weit
vernommen werden.
Zwischen Mai
und August, in der ersten Hälfte der Trockenzeit, legt das Schildkrötenweibchen
nachts seine Eier, nachdem es während Tagen sorgfältig nach einem geeigneten
Ort gesucht hat. Am frühen Abend beginnt es mit seinen beiden Hinterbeinen ein
Loch zu graben, welches schliesslich so tief ist wie seine Beine lang sind. In
das ausgehobene Loch legt es fünf bis zwanzig tennisballgrosse Eier. Dann deckt
es sein Gelege wieder mit Erde zu. Der ganze Vorgang dauert rund sechs Stunden.
Während des
Grabens gibt das Riesenschildkröten-Weibchen des Öfteren Harn ab - insgesamt
etwa sechs Liter. Damit werden zum einen die Wände des Lochs gefestigt, was den
Grabvorgang erleichtert. Zum anderen wird die mit Urin durchtränkte Erde,
welche das Weibchen zum Auffüllen des Lochs verwendet, nach dem Trocknen hart
wie Zement und bildet einen schützenden Pfropfen über dem Gelege. Tatsächlich
hindert dieser harte Gelegedeckel den eierfressenden Palmendieb (ein Krebs; Birgus
latro) wirkungsvoll daran, das Gelege zu plündern.
Die
sorgfältige Wahl des Eiablageplatzes durch das Riesenschildkröten-Weibchen ist
sehr bedeutungsvoll für die Nachkommenschaft. Neuere Untersuchungen haben
ergeben, dass die Bodentemperatur das Geschlechtsverhältnis der schlüpfenden
Jungtiere beeinflusst. Aus Gelegen an verhältnismässig warmen Stellen schlüpfen
hauptsächlich weibliche Junge, aus Gelegen an kühlen Orten vornehmlich
männliche.
Erst mit 20
Jahren erwachsen
Die Jungen
der Seychellen-Riesenschildkröte schlüpfen zu Beginn der Regenzeit (Oktober bis
Dezember), bleiben aber vorerst noch in ihrem sicheren Erdnest. Erst wenn der
Dottersack-Nabel an ihrem Bauchpanzer vollständig verwachsen ist, graben sie
sich ihren Weg an die Erdoberfläche. Einzeln oder zu zweit erscheinen sie
seitlich des harten Erdpfropfens. Das Freigraben aus dem Erdnest ist für die
frisch geschlüpften Schildkröten sehr anstrengend. Sie sind vom ersten Tag an
ganz auf sich allein gestellt.
Während
mehrerer Jahre führen die jungen Schildkröten ein ausgesprochen heimliches
Leben. Sie ernähren sich von all den kleinen Kräutern und Gräsern, welche
ganzjährig in den Spalten und Ritzen der Felsen wachsen. Mit 18 bis 24 Jahren
erreichen sie die Geschlechtsreife - die Weibchen etwas später als die
Männchen.
Wie ihre
Verwandten auf Galapagos richten sich die schweren
Seychellen-Riesenschildkröten so hoch wie möglich auf, wenn ein Vogel in ihre
Nähe kommt, und laden ihn so zum Abpicken von Hautschmarotzern ein. Im
Gegensatz zu den Galapagos-Riesenschildkröten besitzen aber die Riesen von
Aldabra weder Parasiten, noch werden sie von den Vögeln im Geringsten beachtet.
Quelle Text:
© 1985 Markus Kappeler http://www.markuskappeler.ch
(erschienen in der WWF Conservation Stamp Collection)
(erschienen in der WWF Conservation Stamp Collection)
Aldabra
Atoll –
wo die Aldabra Riesenschildkröte zu Hause ist
Topografische Lage Breitengrad 9° 25‘ S; Längengrad 46° 22‘ O
Das Aldabra Atoll wurde erstmals im 9.
Jahrhundert nach Christus von arabischen Seefahrern entdeckt. Sie tauften das
Atoll "Al Chadra", die grüne Insel. Vermutlich gab es das Atoll schon
vor 125.000 Jahren in seiner jetzigen Form. Das Fundament, auf dem das Aldabra
Atoll steht, ist ein vor Millionen von Jahren nach einem Ausbruch im Meer
versunkener Vulkan in 1.000 Meter Tiefe.
Aldabra besteht aus den vier Hauptinseln
Picard (West Island, 9,4 km²), Polymnie (Polymnieli, 4,75 km²),
Malabar (Middle Island, 26,8 km²) und Grand Terre (South Island, 116,1
km²) und erstreckt sich über eine Länge von 34 km und eine Breite von
14,5 km mit einer Landfläche von 155,4 km². Die Fläche der Lagune
misst 224 km². Aldabra erhebt sich nur geringfügig, maximal acht Meter,
über den Meeresspiegel.
Einzigartig sind die so genannten Champignon-Korallen, die bizarre
Felsinseln bilden, sowie die Mangrovenwälder, vor allem die auf den grösseren
Hauptinseln Grand Terre und Malabar. Acht Mangrovenarten beherbergen
zahlreiche, zum Teil bedrohte Vögel, wie z. B. Flamingos, Fregattvögel,
Nektarvögel, Reiher, Tölpel und Weißkehlrallen.
Das Meer um die Inseln ist sehr fischreich. Bei Flut können Haie (Schwarzspitzenhaie) durch die Passagen zwischen den Inseln in die Lagune gelangen. Neben Delphinen und Walen leben auch die äußerst rar gewordenen Gabelschwanz-Seekühe (Dugong dugong) in der Nähe des Atolls.
Das Meer um die Inseln ist sehr fischreich. Bei Flut können Haie (Schwarzspitzenhaie) durch die Passagen zwischen den Inseln in die Lagune gelangen. Neben Delphinen und Walen leben auch die äußerst rar gewordenen Gabelschwanz-Seekühe (Dugong dugong) in der Nähe des Atolls.
Aldabra ist eine UNESCO Weltnaturerbestätte.
Aufgrund des einzigartigen und sensiblen Ökosystems des Atolls ist der Zugang
streng begrenzt. Nur wenige Naturwissenschaftler wohnen dauerhaft auf dem
Aldabra Atoll. Touristen dürfen die Inseln der Naturwunder nur zum Tagesausflug unter sehr strengen
Auflagen besuchen. Landegebühr 200 Euro pro Person.
Yvonne
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