Mittwoch, 2. März 2016

Aldabra 2

Hier noch Hintergrundinformationen zu den Landschildkroeten

Seychellen-Riesenschildkröte    Geochelone gigantea
Die Seychellen-Riesenschildkröte (Geochelone gigantea) gehört innerhalb der Klasse der Kriechtiere (Reptilia) zur Ordnung der Schildkröten (Testudines) und da wiederum zur Familie der Landschildkröten (Testudinidae). Diese Familie umfasst 39 Arten, welche über den ganzen Erdball verbreitet sind. Sie bewohnen sämtliche tropischen und subtropischen Regionen Nord-, Mittel- und Südamerikas, den gesamten Mittelmeerraum, ganz Afrika südlich der Sahara und alle Teile Süd- und Südostasiens.
Einige Landschildkröten-Arten sind in ihrem Vorkommen auf ozeanische Inseln beschränkt. Zu ihnen gehören auch die beiden Riesenschildkröten: die Seychellen-Riesenschildkröte und die Galapagos-Riesenschildkröte (Geochelone elephantopus).

Riesenschildkröten sind altertümliche Tiere
Die beiden heute noch lebenden Riesenschildkröten sind die letzten Überlebenden einer einst weltweit verbreiteten Tiergruppe. Frühe Vertreter der gepanzerten Riesen krochen bereits im Zeitalter der grossen Saurier - vor rund 100 Millionen Jahren - auf der Erde herum. Im weiteren Verlauf der Jahrmillionen verbreiteten sich aber die wendigen und anpassungsfähigen Säugetiere immer mehr und rotteten allmählich die unbeholfenen Riesenschildkröten aus. Nur an zwei entlegenen Orten der Erde, zu denen keine raubenden Säugetiere vordrangen, konnten sich die Nachkommen dieser Riesenschildkröten halten: auf den Seychellen- und Maskareneninseln, welche sich nördlich und östlich Madagaskars im Indischen Ozean befinden, und auf dem Galapagos-Archipel, der rund tausend Kilometer von der südamerikanischen Westküste entfernt im Pazifischen Ozean liegt.
Heute kommt die Seychellen-Riesenschildkröte freilebend nur noch auf Aldabra vor. Dieses kleine Atoll befindet sich etwa 500 Kilometer nördlich von Madagaskar. Von den vier Inseln, aus denen das Aldabra-Atoll besteht, beherbergen deren drei Riesenschildkröten. Der Gesamtbestand umfasst rund 150 000 Tiere.
Riesenschildkröten gehören zu den langlebigsten Vertretern des Tierreichs und gelten allgemein als Sinnbilder unbegrenzter Lebensdauer. Das höchste, urkundlich belegte Alter hat eine Seychellen-Riesenschildkröte erreicht, welche erwachsen in Menschenobhut gelangte und dort noch 152 Jahre lang lebte. Mit einem Gewicht von bis zu 250 Kilogramm und einer Bauchpanzerlänge von über 120 Zentimetern gehören die Riesenschildkröten auch zu den schwersten und grössten Kriechtieren unserer Zeit.

Sie trinken durch die Nase
Hinsichtlich ihrer Nahrung sind die Seychellen-Riesenschildkröten wenig wählerisch. Sie nehmen praktisch alles zu sich, was sie finden: von Pflanzen über Kot, tote Artgenossen und an Land gespülte Fischen bis hin zu Plastiksandalen.
Auf Aldabra besteht die Hauptnahrung der Riesenschildkröten aus einem sehr kurzen Rasen - «Schildkröten-Rasen» genannt. Er setzt sich aus über zwanzig verschiedenen Pflanzenarten zusammen, die sich - offensichtlich infolge der Beweidung über Jahrtausende durch die Schildkröten - zu Zwergformen umgewandelt haben. Auch ohne Beweidung durch die grossen Reptilien bleibt der Schildkröten-Rasen stets wie frisch gemäht.
Die Seychellen-Riesenschildkröte ist die einzige Landschildkröte, welche nicht durch ihren Mund, sondern durch ihre Nase trinkt. Dieses eigenartige Verhalten ist eine Anpassung an das Leben auf dem Aldabra-Atoll, wo keine Trinkwasserquelle vorkommt und jedes Regenwasser im schwammigen Kalkstein sofort versickert. Durch die ganz vorn am Schädel sitzenden Nasenlöcher kann die Schildkröte auch kleinste Wassermengen rasch und aus jeder Gesteinsritze aufnehmen.

Schattenplätze sind überlebenswichtig
Riesenschildkröten sind wie alle Kriechtiere wechselwarm und können ihre Körpertemperatur nicht aktiv regulieren. Über Mittag müssen sie sich daher vor der gleissenden Tropensonne schützen und einen Schattenplatz aufsuchen. Andernfalls würden sie sich unweigerlich überhitzen und sterben. Die massigen Tiere sind gezwungen, sich zur Mittagszeit unter Bäumen, Sträuchern und Felsnischen auf engstem Raum zusammenzudrängen - oft sogar in zwei bis drei Schichten übereinander. Solch «hautnahe» Ansammlungen sind nur denkbar, wenn die Schildkröten untereinander verträglich sind. Tatsächlich fehlt den Seychellen-Riesenschildkröten beinahe jegliche Streitsucht gegenüber Artgenossen. Sie unterscheiden sich damit wesentlich von ihren Vettern auf Galapagos wie auch von den übrigen, kleineren Schildkröten, welche recht zänkisch untereinander sind.
Abends suchen die Seychellen-Riesenschildkröten keine festen Schlafplätze auf. Sie legen sich dort zur Ruhe, wo sie sich gerade befinden. Nicht selten schaut zwischen den Kiefern schlafender Tiere noch das letzte abgerupfte Büschel Gras heraus.
Im Gegensatz zu allen kleineren Landschildkröten-Arten ziehen die Seychellen-Riesenschildkröten ihren Kopf beim Schlafen nicht unter ihren Panzer ein, sondern ruhen mit ausgestrecktem, auf dem Boden aufliegendem Hals. Tatsächlich fällt es den Kolossen sehr schwer, ihren Kopf und ihre Gliedmassen eingezogen zu halten und gleichzeitig zu atmen. Durch diese Unfähigkeit zum Verbergen der empfindlichen Kopf-Hals-Partie sind die Riesenschildkröten ohne Zweifel sehr anfällig auf Fressfeinde. Hier dürfte wohl eine Antwort auf die Frage sein, warum die Riesenschildkröten nach dem Erscheinen der Raubsäuger weltweit innerhalb kurzer Frist ausgerottet waren und sich nur gerade auf den beiden abgelegenen, raubsäugerfreien Inselgruppen halten konnten.

Ein Zementdeckel schützt das Gelege
Die Seychellen-Riesenschildkröten paaren sich gegen Ende der von November bis April dauernden Regenzeit. Das Männchen gerät während der Begattung in grosse Erregung und äusserst dabei heisere Laute, welche zu den lautesten in der Reptilienwelt zählen. Vom Menschen können sie über einen Kilometer weit vernommen werden.
Zwischen Mai und August, in der ersten Hälfte der Trockenzeit, legt das Schildkrötenweibchen nachts seine Eier, nachdem es während Tagen sorgfältig nach einem geeigneten Ort gesucht hat. Am frühen Abend beginnt es mit seinen beiden Hinterbeinen ein Loch zu graben, welches schliesslich so tief ist wie seine Beine lang sind. In das ausgehobene Loch legt es fünf bis zwanzig tennisballgrosse Eier. Dann deckt es sein Gelege wieder mit Erde zu. Der ganze Vorgang dauert rund sechs Stunden.
Während des Grabens gibt das Riesenschildkröten-Weibchen des Öfteren Harn ab - insgesamt etwa sechs Liter. Damit werden zum einen die Wände des Lochs gefestigt, was den Grabvorgang erleichtert. Zum anderen wird die mit Urin durchtränkte Erde, welche das Weibchen zum Auffüllen des Lochs verwendet, nach dem Trocknen hart wie Zement und bildet einen schützenden Pfropfen über dem Gelege. Tatsächlich hindert dieser harte Gelegedeckel den eierfressenden Palmendieb (ein Krebs; Birgus latro) wirkungsvoll daran, das Gelege zu plündern.
Die sorgfältige Wahl des Eiablageplatzes durch das Riesenschildkröten-Weibchen ist sehr bedeutungsvoll für die Nachkommenschaft. Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass die Bodentemperatur das Geschlechtsverhältnis der schlüpfenden Jungtiere beeinflusst. Aus Gelegen an verhältnismässig warmen Stellen schlüpfen hauptsächlich weibliche Junge, aus Gelegen an kühlen Orten vornehmlich männliche.

Erst mit 20 Jahren erwachsen
Die Jungen der Seychellen-Riesenschildkröte schlüpfen zu Beginn der Regenzeit (Oktober bis Dezember), bleiben aber vorerst noch in ihrem sicheren Erdnest. Erst wenn der Dottersack-Nabel an ihrem Bauchpanzer vollständig verwachsen ist, graben sie sich ihren Weg an die Erdoberfläche. Einzeln oder zu zweit erscheinen sie seitlich des harten Erdpfropfens. Das Freigraben aus dem Erdnest ist für die frisch geschlüpften Schildkröten sehr anstrengend. Sie sind vom ersten Tag an ganz auf sich allein gestellt.

Während mehrerer Jahre führen die jungen Schildkröten ein ausgesprochen heimliches Leben. Sie ernähren sich von all den kleinen Kräutern und Gräsern, welche ganzjährig in den Spalten und Ritzen der Felsen wachsen. Mit 18 bis 24 Jahren erreichen sie die Geschlechtsreife - die Weibchen etwas später als die Männchen.  

Wie ihre Verwandten auf Galapagos richten sich die schweren Seychellen-Riesenschildkröten so hoch wie möglich auf, wenn ein Vogel in ihre Nähe kommt, und laden ihn so zum Abpicken von Hautschmarotzern ein. Im Gegensatz zu den Galapagos-Riesenschildkröten besitzen aber die Riesen von Aldabra weder Parasiten, noch werden sie von den Vögeln im Geringsten beachtet.


Quelle Text: © 1985 Markus Kappeler       http://www.markuskappeler.ch
(erschienen in der WWF Conservation Stamp Collection) 


Aldabra Atoll  –  wo die Aldabra Riesenschildkröte zu Hause ist

Topografische Lage  Breitengrad 9° 25‘ S; Längengrad 46° 22‘ O
Das Aldabra Atoll wurde erstmals im 9. Jahrhundert nach Christus von arabischen Seefahrern entdeckt. Sie tauften das Atoll "Al Chadra", die grüne Insel. Vermutlich gab es das Atoll schon vor 125.000 Jahren in seiner jetzigen Form. Das Fundament, auf dem das Aldabra Atoll steht, ist ein vor Millionen von Jahren nach einem Ausbruch im Meer versunkener Vulkan in 1.000 Meter Tiefe.
Aldabra besteht aus den vier Hauptinseln Picard (West Island, 9,4 km²), Polymnie (Polymnieli, 4,75 km²), Malabar (Middle Island, 26,8 km²) und Grand Terre (South Island, 116,1 km²) und erstreckt sich über eine Länge von 34 km und eine Breite von 14,5 km mit einer Landfläche von 155,4 km². Die Fläche der Lagune misst 224 km². Aldabra erhebt sich nur geringfügig, maximal acht Meter, über den Meeresspiegel.
Einzigartig sind die so genannten Champignon-Korallen, die bizarre Felsinseln bilden, sowie die Mangrovenwälder, vor allem die auf den grösseren Hauptinseln Grand Terre und Malabar. Acht Mangrovenarten beherbergen zahlreiche, zum Teil bedrohte Vögel, wie z. B. Flamingos, Fregattvögel, Nektarvögel, Reiher, Tölpel und Weißkehlrallen.
Das Meer um die Inseln ist sehr fischreich. Bei Flut können Haie (Schwarzspitzenhaie) durch die Passagen zwischen den Inseln in die Lagune gelangen. Neben Delphinen und Walen leben auch die äußerst rar gewordenen Gabelschwanz-Seekühe (Dugong dugong) in der Nähe des Atolls.

Aldabra ist eine UNESCO Weltnaturerbestätte. Aufgrund des einzigartigen und sensiblen Ökosystems des Atolls ist der Zugang streng begrenzt. Nur wenige Naturwissenschaftler wohnen dauerhaft auf dem Aldabra Atoll. Touristen dürfen die Inseln der Naturwunder nur zum Tagesausflug unter sehr strengen Auflagen besuchen. Landegebühr 200 Euro pro Person.

Yvonne

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